Für Frieden - Demonstration an der Autobahn A4

Für Frieden

Ich fahre praktisch jeden Sonnabend nach Gera und verbringe Zeit mit meiner Mutter. Auf dem Rückweg höre ich meistens die Sendung „Streitkultur“ im Deutschlandfunk. Es ist nicht immer ein Highlight, aber ich freue mich darauf. Seit einiger Zeit ist noch eine weitere Komponente dazugekommen.


Wenn man von Gera auf der Autobahn in Richtung Chemnitz verlässt, fährt man zuerst über eine Art Hochplateau an Ronneburg vorbei, kommt dann durch ein Tal mit Burg Posterstein zu Rechten und fährt auf der anderen Seite des Tales auf eine Brücke zu.

Auf dieser Brücke finden (mindestens) jeden Sonnabend Nachmittag Demonstrationen für Frieden statt. Daran nimmt eine eine ganz beachtliche Anzahl von Menschen mit Fahnen und Transparenten teil. Was man wahrnimmt sind die Farben Weiß, Rot, Blau und Schwarz, Rot, Gold und das Wort Frieden. Ich dachte immer, dass neben deutschen Fahnen auch russische zu sehen sind. Das ist aber offensichtlich eine optische Täuschung, hervorgerufen durch das Blau der Fahnen mit Friedenstaube. Wie auch immer, hier ein Video aufgenommen am 12.04.2025 aus dem Auto heraus.

Friedensdemonstration auf der A4 zwischen Gera und Chemnitz

Wie sind die Reaktionen der Autofahrer?

Die meisten Autofahrer in meiner Umgebung fuhren einfach nur vorbei, ohne quasi ein Meinungsäußerung abzugeben. Aber ich habe auch schon gesehen, dass ein vor mir fahrendes Auto sein Tempo verlangsamte und mit Lichthupe Zustimmung signalisierte. Die Geschwindigkeit der Autos ist durch eine längerfristig bestehende Baustelle sowieso herabgesetzt, was den Demonstranten zusätzliche Sichtbarkeit verschafft.

Wie sind meine Reaktionen auf die Demonstration?

Die Emotionen, die während der ersten Wahrnehmung in mir entstanden, lassen sich mit den Worten ErstaunenMainstreamAblehnung charakterisieren. Die Frage ob jemand für den Frieden ist, kann nur als profan bezeichnet werden. Weil, wer wäre schon für den Krieg? Und wer kann an einem sonnigen Frühlingstag mitten im Frieden schon einschätzen, was Krieg wirklich bedeutet?


Wir hatten im Jahre 2022 zwei Flüchtlingsfamilien in unserer Wohnung. Es waren zwei Mütter mit ihrer Tochter bzw. ihrem Sohn. Beide waren nicht zufällig bei uns gelandet. In einem Fall war es die Tochter und Enkeltochter meines Studienkollegen, mit dem ich vier Jahr im Wohnheim zusammengewohnt habe und im anderen Fall waren es entfernte Verwandte meiner Frau. Die Familien stammten aus Kiew und waren in den ersten Kriegstagen, als Panzerkolonnen auf Kiev zurollten, geflüchtet.


Bei auffälligen Geräusche von Rettungshubschraubern, die bei uns von Zeit zu Zeit ins naheliegende Krankenhaus fliegen, oder etwa von Feuerwerkskörpern, gerieten unsere Flüchtlinge noch Monate nach Ihrer Ankunft in Chemnitz in Panik. An einem sonnigen Frühlingstag mit klarem gefahrlosen Himmel an dem man nichts aber auch garnichts für sein Handeln und Tun zu befürchten hat, ist es sehr einfach für den Frieden zu sein.

Anfang März 2022 hatten unsere Flüchtlingsfamilien keine Chance für den Frieden zu sein. Eine von ihnen kam aus Irpin, einem kleinen beschaulichen Vorort von Kiew, eine Idylle umrahmt von Kiefernwäldern. Auf der Trasse Butscha – Irpin – Kiew wurde eine russische Panzerkolonne zerschossen, keine zwei Kilometer von ihrem Haus entfernt. Die Bilder dieser zerschossenen Panzerkolonne gingen um die Welt. Später gerieten ihre Häuser unter direkten Panzerbeschuss.

An all das denkt man, wenn man belanglose deutschsprachige Plakate unter einem belanglosen blauen deutschen Himmel sieht. Man fühlt nichts als Sprachlosigkeit und Enttäuschung, so als hätten sich Gut und Böse in ihre Gegenteil verkehrt.

In Bad Schandau, einem kleinen beschaulichen Ort in der Sächsischen Schweiz, der bekannt dafür ist, dass die dortigen Ladeninhaber gern Sprüche in ihre Schaufenster hängen, habe ich mal folgenden Spruch gelesen.

Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingegen müssen.

Erich Maria Remarque im Jahre 1962 in einem Gespräch mit Friedrich Luft https://www.youtube.com/watch?v=aOzROBGLkpE

Dieser Spruch wurde von einem Kriegsteilnehmer des Staates getätigt, der den ersten und zweiten Weltkrieg begonnen hat. Das Zitieren dieses Spruches in Bezug auf den Ukrainekrieg verzerrt seinen Inhalt, kehrt ihn ins Gegenteil um und muss in den Augen der Ukrainer wie Hohn klingen. Heute sollte man den Spruch erweitern ..

„Besonders diejenigen sind für Frieden, die seine Konsequenzen nicht tragen müssen.“

#standwithukraine

#stoprussia

#endthewar

Hier noch zwei Videos
der zerschossenen Panzerkolonne
zwischen Butscha und Irpin (März, 2022).

Zerschossene Panzerkolonne
Ansicht vom Balkon (März, 2022)
Zerschossene Panzerkolonne
Ansicht vom Boden (März, 2022)

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