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30 Jahre Wiedervereinigung

Am 3. Oktober fuhren wir von Chemnitz in die Risikoregion Vorarlberg in Österreich, um eine Woche Herbsturlaub in den Bergen zu genießen. Dabei hörten wir eine Sendung des Deutschlandfunkes zum 30. Jahresstag der Wiedervereinigung an.


Der Ministerpräsident des Landes Brandenburg Dr. Dietmar Woidke hielt eine Rede, weil Brandenburg derzeit den Vorsitz im Bundesrat inne hat und die Veranstaltung ausrichtete. Und der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hielt eine Rede. Und andere hielten eine Rede und es gab auch einen Showteil, moderiert von Supermoderator Günther Jauch mit Schlagereinlagen und drei Gesprächsteilnehmern: einer 90 Jahre alten Dame aus dem Westen aus dem Umfeld der damaligen Bundesregierung, einer 30 Jahre jungen Junge Frau (geboren am 03.10.1990) aus Leipzig und Norbert Leisegang (Sänger der Gruppe Keimzeit). Komischerweise stand der Osten im Mittelpunkt des Festaktes der Wiedervereinigung. 75% des Inhaltes waren an 25% der Menschen des wiedervereinigten Deutschlands gerichtet. Eigenartig.

Rückblick auf die DDR

Die DDR war mein Land, dort bin ich geboren. Meine Kindheit. Meine Schulzeit. Meine Basis und mein Rückzugsort. Wenn man von Moskau nach Berlin fliegt, beginnt der Landeanflug bereits über Polen. Dass man zu Hause ist, bemerkt man nicht nur durch das Überfliegen der Oder. Die Landschaft ändert sich. Der Flickenteppich der Felder wandelt sich zu größeren zusammenhängenden Einheiten. Bei einem Heimflug nach einem halben Jahr Auslandssemester war dies Grund genug für einige Mitpassagiere die Sektkorken knallen zu lassen und zu jubeln. 


Heute schwer vorstellbar? Nein, es ist heute genauso vorstellbar. Es ist die Freude nach Hause zu kommen.


Warum gibt es die DDR nicht mehr? Mit dem Wegfall des Wirtschaftssystems entfiel auch die Legitimation der DDR. Polen blieb Polen und Ungarn blieb Ungarn. Die DDR fiel weg; es machte keinen Sinn, einen zweiten deutschen Staat als Kopie des ersten deutschen Staates zu betreiben.

Rückblick auf die Wiedervereinigung

Was im Rückblick am meisten erstaunt, waren die Ressourcen, welche die alte Bundesrepublik in die Wiedervereinigung werfen konnte. In den ersten Jahren war es eine riesige Transferunion und ist es in geringerem Maße bis heute. Gregor Gysi hat zu diesem Thema mal geäußert, dass das Geld vom Westen in den Osten transferiert wurde und das Eigentum vom Osten in den Westen. Man kann es nicht besser ausdrücken. 

Aus Sicht der
westdeutschen Eliten

Ein Glücksfall! Singapur und Honkong schütten Inseln im Meer auf, um sich vergrößern zu können. Und hier strömten 100.000 Quadratkilometer Land und 16  Millionen Menschen gleichen kulturellen Hintergrundes ins Land und jubelten, als ob es kein Morgen gäbe. Was für ein Zugewinn!


Vor einem Jahr saß ich in einer vom der Bundesagentur für Arbeit finanzierten Weiterbildungsmaßnahme, die online abgehalten wurde. Um den 3. Oktober herum kamen wir auf die Wiedervereinigung zu sprechen. Erstaunlich war der Blick, den die Teilnehmer aus den alten Bundesländern darauf hatten. Die Reaktionen waren weitgehend emotionslos und desinteressiert, was nicht verwundert, fand doch die Wiedervereinigung für sie überwiegend in Fernsehbildern und Nachrichten statt, die sie selbst nicht direkt betrafen. 

Aus Sicht der
westdeutschen Bürgen


Aus Sicht der
ostdeutschen Eliten

Die ostdeutsche Elite tat überwiegend das, was eine Elite immer tut, wenn sich das System ändert – sich integrieren in das veränderte System. Das ist keine Anklage. Es gab keine wirkliche Alternative dazu.


Während meines Studiums in der Sowjetunion habe ich im sowjetischen Fernsehen mal eine Dokumentation über sowjetische Bürger – überwiegend jüdischer Nationalität – gesehen, die Mitte der 70ziger Jahr in die USA ausreisen durften und zeigte, wie sie sich nach zehn Jahren Aufenthalt in den USA integriert hatten. Die Bandbreite reicht vom Taxifahrer bis zum Millionär. Bezeichnend war die Aussage eines Taxifahrers, der sagte, er habe zwar kein Geld, könne aber rein theoretisch reisen, wohin er wolle, und tun, was er wolle. Die Möglichkeit, privat und politisch selbst zu entscheiden, was man tut, ist der vordergründig größte Zugewinn der Ostdeutschen. Der hintergründig größte Zugewinn ist der gewollte (oder auch ungewollte) Transfer von der 2. oder 3. Welt in die 1. Welt mit einem leistungsfähigeren Wirtschaftssystem und den damit verbundenen größeren Möglichkeiten und Sicherheiten für alle Bürger.

Aus Sicht der
ostdeutschen Bürger

Kritik an der Wiedervereinigung

Viele sprechen davon, wie sich die Löhne zwischen Ost und West angeglichen haben.
Viele sprechen davon, wie sich die Renten zwischen Ost und West angeglichen haben.
Es macht für mich keinen Unterschied, ob es 84 oder 85% und  96 oder 97% sind.


Was mich stört sind die Vermögensunterschiede der Unternehmen. Es gibt keine ostdeutschen DAX-Unternehmen und nur wenige starke ostdeutsche Unternehmen. Das liegt daran, dass die ostdeutschen Bürger und mehr noch die ostdeutschen Eliten nach der Wiedervereinigung von der Privatisierung des Staatsvermögens der DDR ausgeschlossen wurden. Starke Unternehmen mit Hauptsitz im lokalen Bundesland sind jedoch essentiell für eine funktionierende Gesellschaft. 


Was mich stört ist die geringe ostdeutsche Durchdringung der gesamtbundesdeutschen Elite, was ebenfalls daran liegt, dass die ostdeutsche Elite am Beginn der Wiedervereinigung weitestgehend durch westdeutsche Vertreter ersetzt wurde.

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