FTSE-All-Share-Historische-Daten

Krise in Kurven

Vor 15 Jahren habe ich mir mal historische Aktienindizes angeschaut. Rein interessehalber findet ihr im Banner die Werte der Londoner Börse (FTSE-All-Share), nicht weil sie die größte Entwicklung gezeigt hat, sondern weil es die am weitesten zurückreichenden Daten sind, die ich finden konnte. Gut erkennen kann man Krisen.

Was ist eine Krise?

Die Zeitungen sprechen von einer Krise an den Börsen, wenn die Kurse um 10 – 25% zurückgehen. Im langfristigen Trend kann man diese Bemerkungen nicht wirklich ernst nehmen. Sie wirken imposant, wenn man sich einen Drei- bis Fünfjahreszeitraum anschaut. Aber auch nur dann. Wirklich Krisen gehen mit einer oder mehreren Halbierungen der Indizes einher.

Historische Kurse der Londoner Börse (FTSE-All-Share)

(Angegeben ist jeweils der Höchststand am 31.12. des Kalenderjahres.) Man kann gut die Krisen der letzten Zeit erkennen und sieht, dass wir uns seit 2008 in einer sehr langen Wachstumsphase befanden, die irgendwann enden musste. Man kann gut die Ölkrise 1974 erkennen und man erkennt die Katastrophen des 20. Jahrhunderts: 1.Weltkrieg, Nachkriegsrezession, Weltwirtschaftskrise und 2. Weltkrieg. Gleichzeitig sieht man auch, dass sich der FTSE-All-Share über 150 Jahr hinweg praktisch nicht verändert hat und erst nach dem 2. Weltkrieg eine rasante Entwicklung einsetzte. Diese Entwicklung ist typisch für alle Aktienindizes und hat ihre Ursache sicher auch in einer veränderten Geldpolitik der Länder. Generell kann man für die entwickelten Industrieländer im Nachkriegszeitraum (zwischen 1950 und 1980) von 6 bis 8 Verdoppelungen der Börsenindizes ausgehen. Eine noch stärkere Entwicklung zeigten die Indizes der beiden Hauptverlierer des 2. Weltkrieges Japan und Deutschland (bis zu 10 Verdoppelungen). Ähnliche Entwicklungen sieht man an den Börsen der Schwellenländer (Tigerstaaten/ Latein- und Südamerika), auch sie erlebten durchschnittlichen 7 bis 10 Verdoppelungen bis zu ihrer vollständigen Etablierung.

Meine größte Krise

Nach dem Einbruch des Dow Jones im Jahre 1929 und seinem weiteren Rückgang in den Folgejahren brauchte es ein ganzes Arbeitsleben oder mit anderen Worten ca. 35 bis 40 Jahre um die Vor-1929-Aktienindizes wieder zu erreichen. Als wir Anfang der 90ziger in die Marktwirtschaft eintraten, hatte der Nikkei den vermutlich größten Einbruch seiner Geschichte (zwei Halbierungen) und ich warte seit dem darauf, die Kurse von 1989 wiederzusehen. Der Ausgang ist ungewiss.

Meine größte Krise durchlebte ich jedoch mit dem RTS (Moskau). Ganz im Geist der neuen Zeit wurde er im Jahre 1995 ins Leben gerufen. Ich war ab Frühjahr 1997 dabei und verkaufte „sicher“ deutsche Aktienfonds um an „unsichere“ russische Aktien zu kommen. Von 1995 (100 Punkte) bis 1998 (540 Punkte) verfünffachte sich der RTS (zwei Verdopplungen). Ich verkaufte im Frühjahr 1998 die Hälfte meiner russischen Aktien. Danach fünfzehntelte sich der RTS auf im Minimum 37 Punkte (fast vier Halbierungen). Ich kaufte nach der ersten Halbierung, ich kaufte nach der zweiten Halbierung, ich kaufte nach der dritten Halbierung. Nach der vierten Halbierung kaufte ich nicht mehr. Mich hatte der Mut verlassen, erst nach einer weiteren Verdopplung kaufte ich ein letztes Mal. Im Raum stand damals eine Rücknahme der Privatisierung also eine Wiederverstaatlichung der börsennotierten Unternehmen – der schlechteste anzunehmende Fall. Er trat nicht ein, jedenfalls nicht direkt und nicht sofort. Von 1998 bis 2007 stieg der RTS in schier ungeahnte Höhen auf ca. 2500 Punkte (sechs Verdopplungen). Seit 2003 war ich nicht mehr dabei. Nach der Enteignung von YUKOS, von der ich auch selbst betroffen war, verkaufte ich alles und zog mich zurück. Putin hatte den russischen Aktienmarkt von einem westlichen Modell mit relativer Rechtssicherheit in eine feudale Spielwiese mit unkalkulierbaren staatlichen und persönlichen Eingriffen verwandelt.

Was soll man heute tun?

Für jeden Transfer gibt es immer einen Verkäufer und einen Käufer. Beide glauben zum eigenen Vorteil richtig zu handeln. Sie gehen also von unterschiedlichen Erwartungen aus. Die Zukunft kann man schlecht vorhersagen. Das Handelsblatt empfahl neulich, die wieder ansteigenden Kurse zu einem Verkauf seiner Aktien zu nutzen. Prinzipiell ist diese Empfehlung richtig. Besser ist jedoch eine Doppelstrategie, die nur einen Teilverkauf beinhaltet, um bei niedrigeren Kursen nachkaufen zu können. Sehr langfristig orientierte Anleger mit genügend anderen Notreserven können auf diesen Teilverkauf auch ganz verzichten. Geld ist letztlich nur ein Austauschmittel. Papier. Man sollte so wenig wie möglich davon mit sich rumschleppen. Es könnte über Nacht seinen Wert vollends verlieren.

Links

https://de.investing.com/indices/world-indices

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert