2014_BMW

Recht oder Unrecht 2.0

Es hört nicht auf. Der Angriff auf das Großkapital ist in vollem Gange. Zu hören u.a. im Deutschlandfunk am Donnerstag, den 14.05.20 um 9:05 Uhr, in einem Interview von Tobias Armbrüster mit der Linken-Politikerin Gesine Lötzsch unter dem vielversprechenden Titel: „Linke will Staatshilfen an BMW überprüfen“.


Das ist keine besonders gut Sendezeit, selbst Schreibtischtäter haben in der Regel zu ihren Schreibtischen gefunden und sind mit ihrem Tagwerk beschäftigt, was i.d.R. das Hören von Radiobeiträgen ausschließt. Das Interview kann man jedoch nachhören und sogar nachlesen.

Interview von Tobias Armbrüster mit der Linken-Politikerin Gesine Lötzsch (14.05.20 um 9:05 Uhr)

Es werden im Wesentlichen zwei Argumente vorgetragen.


Argument No.1
Unvereinbarkeit von Dividendenzahlungen und Staatshilfen

Viele haben bereits über die anstehende Dividendzahlung von BMW für das Geschäftsjahr 2019 getwittert und gesprochen und geschrieben. Schauen wir uns an, welche Argumente die Linke vorbringt.

Wenn wir uns zum Beispiel anschauen, dass bei BMW zum einen Kurzarbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Anspruch genommen wird, was ja quasi von der Allgemeinheit bezahlt wird, und zum anderen Dividenden ausgeschüttet werden sollen in Höhe von 1,65 Milliarden Euro an die Aktionäre, und zwar jetzt in wenigen Tagen, am 19. Mai, und diese Dividenden kommen ja vor allen Dingen Großeigentümern, Quandt und Klatten, zugute. Da sagen wir als Linke, solche Firmen brauchen keinen Rettungsschirm. (hervorgehoben, d.R.) Die müssen die Dinge, die sie selber ja haben, auch investieren und damit auch ihren Beitrag leisten zur Bewältigung der Krise und nicht ständig noch weitere Staatshilfen fordern.

Gesine Lötzsch im DLF Interview am 14.05.20 um 9:05 Uhr

Frau Gesine Lötzsch kritisiert die Auszahlung einer Dividende in der gegenwärtigen Situation (ergänzt, 23.05.20). Die Höhe der Dividende legt das Unternehmen selbst fest. Sie wird aus dem Gewinn ausgezahlt. Im konkreten Fall beträgt die Dividendenzahlung 1,65 Milliarden Euro aus ca. 5 Milliarden Euro Gewinn von BMW bei einem Umsatz von ca. 105 Milliarden Euro in 2019. Das Barvermögen von BMW betrug in 2019 übrigens durchschnittlich 2.567 Mrd. Euro und das Nettofinanzvermögen 17.577 Mrd. Euro, wie man auf der Webseite von BWM nachlesen kann. Warum wird eigentlich nur die Dividende kritisiert, warum nicht der Gewinn, warum nicht das Vermögen der Gesellschaft? Wäre konsequent!

Braucht ein Unternehmen, dass einen Gewinn von 5% vom Umsatz erwirtschaftet eine staatliche Unterstützung in der Krise?

Das kommt sicher auf die Kostenstruktur und auf die Rücklagen an, die dieses Unternehmen hat bilden können. Die Kostenstruktur eines Autoherstellers kann man googeln. Das gibt zwar kein genaues Bild aber einen Ansatz. Anbei die Durchschnittswerte deutscher Automobilhersteller von 2014. Die prozentualen Verteilung wird sich nicht wesentlich geändert haben.

Listenpreis (brutto) 26 780 Euro
– MwSt. (19%) 4 275 Euro
Listenpreis (netto) 22 504,20 Euro
– Händlermarge (16,5%) 3 713,19 Euro
– Materialkosten 9 789,33 Euro
– Personalkosten 2 250,42 Euro
– Abschreibungen 1 012,69 Euro
– Forschung und Entwicklung 1 350,25 Euro
– Werbung 562,61 Euro
– Garantiekosten 450,08 Euro
– Verwaltungs u. Vertriebskosten 2 137,90 Euro
GEWINN (5,5 %) 1 237,73 Euro
Herstellungskosten in der Automobilbranche, Link
Durchschnittswerte von 2014, Quelle: Institut für Automobilwirtschaft (IFA)

Laut o.g. Tabelle (mit den Werten von 2014) ergeben Personalkosten, Forschung und Entwicklung zusammen mit Verwaltung- und Vertriebskosten ca. 30% vom Umsatz des Herstellers (ohne Händler). Welcher prozentuale Anteil der Arbeiter und Angestellten bei BMW in Kurzarbeit war oder ist, weiß ich nicht und es interessiert mich auch nicht wirklich. Es wird ein Anteil sein, ein sinnvoller Anteil vermutlich.

Kurzfristig entscheidend ist wie bei jedem Unternehmen die Einnahmenseite. Auch das kann man googeln. Der Coronabedingte Einbruch beim Autoabsatz betrug im März europaweit ca. 50% (Link).

Nun kann sich jeder ausrechnen, wie lange ein Betrieb bei allen Kosten und halbierten Einnahmen aufrechterhalten werden kann. Und man kann sich ausrechnen, wie lange ein Betrieb bei nichtstornierbaren Kosten und Inanspruchnahme von Kurzarbeitergeld aufrechterhalten werden kann. Es ergeben sich verschiedene Zeitfenster. Langfristig zählt dennoch der Markt, d.h. der Absatz der Produkte. Die staatliche Hilfe Kurzarbeit ist nur ein Beitrag und bietet nur eine Unterstützung auf Zeit und löst das Problem nicht. Man fragt sich unwillkürlich, was die Alternative zu Kurzarbeit wäre – eine substanzielle Schwächung des Unternehmens oder ein Abbau von Arbeitsplätzen vermutlich. Wer wollte das wirklich wollen?

Ist die Auszahlung einer gesetzlich vorgesehenen staatlichen Unterstützung auch an Firmen zulässig, die Gewinne erzielt haben und möglicherweise auch in Zukunft Gewinne erzielen werden?

In Wirklichkeit ist die Finanzstruktur einer so großen Gesellschaft wie BMW komplexer, als dies die einfache Dividenden-Diskussion erscheinen lassen mag. Als große Gesellschaft ist BWM ein Teilnehmer des Kapitalmarktes und muss als solcher gegenüber seinen Kunden, Mitarbeitern und Investoren glaubhaft auftreten. Das beinhaltet einerseits das Auszahlen eines Ertrages auf das eingesetzte Kapital und andererseits die Erhaltung des Kapitals, sprich der Gesellschaft. Letzteres erwarten übrigens nicht nur die Investoren, sondern auch die Mitarbeiter, Kunden und das gesellschaftliche Umfeld. Die Auszahlung einer staatlichen Unterstützung an Firmen, die in der Vergangenheit Gewinne erzielt haben und möglicherweise in Zukunft Gewinne erzielen werden, ist zulässig, damit in Zukunft Gewinne erzielen können und die Gesellschaft davon profitieren kann (ergänzt 23.05.20).

Man wird im nächsten Jahr sehen können, wie BWM durch diese Krise gekommen ist. Mit Sicherheit werden die vorhandenen Ressourcen in einem die ausgezahlte Dividende deutlich übersteigenden Maße in Anspruch genommen worden sein.

Argument No.2
Ungerechtes Steuersystem/ Sonderabgabe für große Vermögen

Weiterhin greift Gesine Lötzsch mit Bezug auf das ungleich verteilte Vermögen die Idee einer Vermögensabgabe für große Vermögen auf. Konkret sagt sie:

Ein Prozent der Bevölkerung verfügt über 50 Prozent der Vermögenswerte, und da sind wir der Auffassung, dass diese Krise jetzt so tief und so schwer ist, dass wir sagen, wir müssen den Grundgesetzartikel 106 in Anwendung bringen, der sieht nämlich für besondere Situationen eine einmalige Vermögensabgabe vor.

Gesine Lötzsch im DLF Interview am 14.05.20 um 9:05 Uhr


Wenn man das Internet befragt, stellt man schnell fest, dass der Grundgesetzartikel 106 nicht eine einmalige Vermögensabgabe beschreibt, sondern das Steuersystem der Bundesrepublik im Überblick. Frau Gesine Lötzsch greift konkret Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG auf.

Gem. Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG besitzt der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über die „einmaligen Vermögensabgaben und die zur Durchführung des Lastenausgleichs erhobenen Ausgleichsabgaben“.

Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 176/08, 29.10.2008

Wenn man das Internet befragt, stellt man schnell fest, dass Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG oder die rechtlichen Vorläufer dieses Artikels in der Gesetzgebung des Deutschen Reiches nur sehr selten zur Anwendung gebracht worden sind. Im Nahbereich lassen sich folgende Anwendungsfälle ausmachen:

  • Reichsnotopfer vom 31.12.1919
    zur Kompensierung der staatlichen Finanznot nach dem Ersten Weltkrieg (Wikipedia-Link)
  • Lastenausgleichsgesetz vom 14. August 1952
    zur Kompensierung von Vermögensschäden oder besonderen anderen Nachteile von Privatpersonen infolge des Zweiten Weltkrieges und seiner Nachwirkungen (Wikipedia-Link)

Diese Umverteilung erfolgte dadurch, dass diejenigen, denen erhebliches Vermögen verblieben war (insbesondere betraf das Immobilien), eine Lastenausgleichsabgabe zahlten. Die Höhe dieser Abgabe wurde nach der Höhe des Vermögens mit Stand vom 21. Juni 1948, dem Tag nach Einführung der D-Mark in den 3 westlichen Besatzungszonen, berechnet. Die Abgabe belief sich auf 50 % des berechneten Vermögenswertes und konnte in bis zu 120 vierteljährlichen Raten, also verteilt auf 30 Jahre, in den Ausgleichsfonds eingezahlt werden. Zu diesem Zweck wurden eine Vermögensabgabe, eine Hypothekengewinnabgabe und eine Kreditgewinnabgabe eingeführt, die an die Finanzämter zu zahlen waren. Durch die Verteilung auf viele Jahre betrug die Belastung nur 1,67 % pro Jahr, sodass sie aus dem Ertragswert des betroffenen Vermögens geleistet werden konnte, ohne die Vermögenssubstanz angreifen zu müssen. (hervorgehoben, d.R.) Das fiel den Betroffenen infolge der ständigen Inflation seit 1952 auch allmählich leichter. Ab den 1980er Jahren flossen zunehmend auch allgemeine Steuermittel in den Fonds.

Erläuterung des Lastenausgleichsgesetzes vom 14. August 1952 bei Wikipedia

Wenn man da Thema querliest, stellt man fest, dass die Erhebung einer Vermögensabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG an eine Reihe von Bedingungen geknüpft ist. Hervorzuheben sind hierbei.

  • Einmaligkeit – Es muss eine einmalige historische Situation vorliegen.
  • Notsituation des Staates – Der Staat muss sich in einer Notsituation befinden, was es ihm unmöglich macht, sein Aufwendungen durch Erhebung anderer Steuern oder die Aufnahme von Krediten zu decken.
  • Stichtagprinzip – Die Abgabe muss auf Basis des an einem konkreten Stichtag vorliegenden Vermögens berechnet und festgelegt werden.
  • Vermeidung der Aushöhlung von Vermögen – Das Vermögen von privaten oder juristischen Personen soll nicht substanziell geschwächt werden.

Im Nahbereich wurde eine Vermögensabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG in Deutschland nach Kriegen erhoben. Die gegenwärtige Situation stellt sicher eine schwere Krise dar, ist jedoch mit einer Nachkriegssituation nicht vergleichbar. Die „Instrumentalisierung einer Vermögensabgabe“ nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG „zum Abbau von Vermögensungleichgewichten in der Gesellschaft“ entspricht nicht dem Wesen von Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG.

Wer mehr zu den Hintergründen einer Vermögensabgabe lesen will, findet eine ausführliche Ausarbeitung unter Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe (Bundestag) und Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie (Bundestag) oder unter Verfassungsfragen einer einmaligen Vermögensabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG (Autor: Otto Depenheuer, Verlag: Springer Berlin Heidelberg).


Informationen und rationale Ansätze sind zielführender als Populismus!


Quellen:

Herstellungskosten in der Automobilindustrie
https://www.krautdub.com/herstellungskosten-der-automobilbranche/

Autoabsatz in der EU bricht um 55 Prozent ein
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/acea-autoabsatz-in-der-eu-bricht-um-55-prozent-ein/25749296.html?ticket=ST-2940706-MSAHo5SJJs6jz9r9W2qL-ap2

BMW AKTIE
https://www.bmwgroup.com/de/investor-relations/aktie.html

Grundgesetzartikel 106
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_106.html

Rechtliche Rahmenbedingungen einer Vermögensabgabe
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 176/08, 29.10.2008
https://www.bundestag.de/resource/blob/412596/3731fe4b1e9b4ffd808a264e7436ede8/WD-4-176-08-pdf-data.pdf

Verfassungsmäßigkeit einer Vermögensabgabe
zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie
Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung WD 4 – 3000 – 041/20, 09.04.2020
https://www.bundestag.de/resource/blob/691376/2feb28d7057bf918bd18254ab06d95ad/WD-4-041-20-pdf-data.pdf

Verfassungsfragen einer einmaligen Vermögensabgabe nach Art. 106 Abs. 1 Nr. 5 GG
Autor: Otto Depenheuer, Verlag: Springer Berlin Heidelberg
https://www.springerprofessional.de/verfassungsfragen-einer-einmaligen-vermoegensabgabe-nach-art-106/4204164

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