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Begrüßungsgeld

Begrüßungsgeld_Nachweis_im_Personalausweis
Begrüßungsgeld Nachweis im Personalausweis

Das Begrüßungsgeld war für mich die erste Überraschung nach dem Fall der Mauer. Ursprünglich war diese Zahlung von der Bundesrepublik eingeführt worden, um DDR Besucher zu unterstützen, die ihre Verwandten in der Bundesrepublik besuchten, oder vielmehr besuchen konnte. (Meine Mutter gehörte 1988 auch dazu). Die DDR erlaubte ihren Bürgern in den letzten Jahren der DDR nur noch einen Umtausch von 15 Mark zum Kurs von 1:1 bei Besuchsreisen. Dass unter den veränderten Bedingungen nun praktisch jeder DDR Bürger dieses Geld bekam, überraschte doch gewaltig. Laut Wikipedia wurden im November und Dezember 1989 drei bis vier Milliarden DM als Begrüßungsgeld ausgezahlt. Praktisch jeder, der mobil war oder mobilisiert werden konnte, holte sich dieses Geld bzw. wurde an den Schaltern vorgezeigt. Ich kenne nur einen einzigen Menschen, der bewusst darauf verzichtete. Die unerwartet hohe Gesamtsumme, welche die Einwohnerzahl der DDR multipliziert mit 100 deutlich überstieg, begründet sich damit, dass es in Bayer noch ein zweites Begrüßungsgeld in Höhe von 40 und in München sogar von 90 Mark gab und im Chaos der ersten Tage wohl auch einige DDR Bürger die Gunst der Stunde zur Mehrfachbegrüßung nutzen. Ich war Ende November in Westberlin und Mitte Dezember in Hof. Die Auszahlung wurde per Stempel im DDR – Ausweis dokumentiert. Dieses Stempeln wurde vermutlich erst im November 89 eingeführt. Die o.g. Fotokopie eines DDR – Ausweises von Wikipedia entspricht somit ziemlich genau meiner eigenen Bekanntschaft mit der Deutschen Mark.

Man kam sich schon blöd vor. Ich habe es trotzdem geholt und war Teil einer großen Menschenmasse. Damit war es leichter. 100 DM hatten für einen DDR Bürger einen relativ hohen Wert. In den letzten Jahren der DDR kursierten Schwarzmarktkurse von 1:10. Für mich waren diese 100 DM somit ziemlich genau ein Monatslohn. Für einen DDR Bürgen war DM aber weit mehr als eine bloße Ressource. Es war eine Art Joker, den man immer dann einsetzen konnte (wenn man ihn denn einsetzen konnte), wenn eine Sache von besonderem Interesse und mit finanziellen Mitteln nicht oder schwer zu beschaffen war. Das wurde für Hobbys eingesetzt oder auch für Luxusgüter. Meine Mutter brachte mit aus dem Westen Karabiner und Sicherungsschlingen zum Kletter mit. Die Karabiner gab es auch bei den Tschechen, die Schlingen kamen nur aus dem Westen. Es gab keine dünnen Sicherungsschlingen im Osten. Und so war es praktisch mit allem.

Als ich nun das erste Mal auf den golden Westen traf, war der erste Eindruck doch enttäuschend. Die Gewerbetreibenden Westberlins hatten die Stadt in einen Markt verwandelt und boten auf der Straße auf Markttischen allerlei Kram feil. Ich kann mich nur an Uhren für 15 Mark erinnern. Was soll man schon mit einer Uhr für 15 Mark, das kann eigentlich nur Schund sein. Weiterhin störte die Reklame. Damals waren Neonfarben modern – Grün, Gelb, Pink. Oder besser Schreiend Grün, Schreiend Gelb und Schreiend Pink, die auf mich wirkten wie Lärm. Ich kam halt aus dem Osten.

Wir waren nicht bei Aldi oder Lidl, Bananen waren mir egal. Und wir waren nicht bei Karstadt oder in irgendwelchen anderen Kaufhäusern. Wir waren in einem Möbelgeschäft, weil wir damals gerade unsere eigenen Wohnung einrichteten. Und wir wollten natürlich nur schauen. Dass wir von einer Verkäuferin angesprochen wurden, empfand ich fast als Belästigung. An einen Buchladen kann ich mich noch erinnern. Dort gab es eine Lehrbuchreihe zu Hydraulik / Pneumatik. Genauso ein Buch hatte ein russischer Arbeitskollegen bei irgendeiner Ausstellung geschenkt bekommen – in russischer Sprache von Rexroth. Total toll. Farbig – Druckseite Rot, Rücklauf Blau mit Zwischenstellungen. Hier gab es solche Bücher als Serie von 4 oder 5 Bänden. Ein einzelner Band kostete 85 DM. Umgerechnet in diese Waren, war der Wert der neuen Währung gering.

Wir haben nichts gekauft. Als der Schwarzmarktkurs einige Wochen später kurzzeitig bei 1:20 lag, wollte ich tauschen, kam aber nicht dazu. Es war eine Übertreibung und korrigierte sich schnell und ging auf 1:6 oder 1:7 und mit dem neuen Jahr 1990 auf 1:4 zurück. Die 140 DM Begrüßungsgeld wurden mit irgendwelchen Reserven aufgestockt und im Frühjahr 1990 auf einem Flohmarkt in Chemnitz in eine Lederjacke zum Preis von 230 DEM für meine Schwiegermutter umgesetzt. Im Sommer 1990 hatte diese Lederjacke einen Wert von ca. 2000 Rubeln und entsprach damit ziemlich genau einem Jahreslohn. Diese Lederjacke wurde später, als die Zeiten schlechter wurden, verscherbelt.

Quellen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Begrüßungsgeld

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