Panzer

Fight or flight

Wenn ein Tier angegriffen wird, kann es wählen zwischen Kämpfen oder Fliehen (fight or flight). Wenn im Mittelalter eine Stadt angegriffen wurde, konnte sie wählen zwischen Kampf oder Unterwerfung. Warum glauben wir im Westen, es gäbe eine andere Option?


Das ist ein Antikriegstext. Texte schreiben ist ein Handwerk. Laut Andreas Nachama (Rabi im entstehenden House of One in Berlin) braucht man eine Idee und eine Fahrtroute. Das kann dauern und ist schwer. Das Schreiben selbst ist einfach, man fährt nur die Fahrtroute ab.


Wie begann der Krieg in der Ukraine?

Der Krieg in der Ukraine begann vor acht Jahren mit der Annexion der Krim durch die Russische Föderation (RF) und dem bewaffneten Konflikt im Osten der Ukraine, der durch einen Stoßtrupp der GRU (Tiefenaufklärung der RF) unter Leitung von Girkin (Deckname Strelkov) mit der Einnahme der Stadtverwaltung in Slavjansk ausgelöst wurde.

Ein Teil von uns hat seine gesamte Kindheit, Jugend und Studium in Donezk verbracht, der andere Teil nur sein Studium. Wir haben Freunde und Verwandte in Donezk. Einer unserer Studienkollegen wurde im August 2014 vor seinem Wohnhaus zusammen mit seinem Leibwächter von marodierenden Separatisten erschossen. Ein Teil unserer Verwandten wohnte ca. einen Kilometer vom Donezker Flughafen entfernt. Als die ukrainische Armee den Donezker Flughafen von den Separatisten zurückeroberte, konnten unsere Verwandten die Gesichter der ukrainischen Kampfpiloten in ihren Hubschraubern gut erkennen. Im Zuge der Kampfhandlungen um den Donezker Flughafen wurde ihre Eigenheimsiedlung rund um den Schacht Oktjabrskaja zerstört. Der andere Teil unserer Verwandten wohnt relativ zentrumsnah in der Nähe des Kulturpalastes Kujbischew. Als eine Granate neben ihrem Eigenheim einschlug, flogen die Granatsplitter mitten durch ihr Wohnzimmer. Einen dieser Splitter entdeckten sie später bezeichnenderweise in dem Buch „Wie der Stahl gehärtet wurde“ von Ostrowsky. Mancher erinnert sich sicher. Unsere Verwandten haben Donezk im August 2014 in Richtung RF verlassen, konnten sich dort nicht etablieren und sind 2016 nach Donezk zurückgekehrt.

Bilder von Zerstörung und Kriegseinwirkung erreichten uns aus Donezk. Das Zentrum von Donezk und die nicht von direkten Kampfhandlungen betroffenen Wohngebiet blieben jedoch in Takt. Regelmäßig erreichen uns Bilder von Neujahrsfeiern aus dem Stadtzentrum, die das uns gewohnte Vorkriegs-Bild zeigen. Die Sehenswürdigkeiten der Stadt Donezk und ihre Infrastruktur wurden nicht zerstört. Die ukrainische Armee hat nicht versucht, die Stadt Donezk zu stürmen. Die ukrainische Armee schreckte vor der Anzahl der möglichen Opfer eines solchen Sturmes zurück.

Welche Bilder erreichen uns heute aus der Ukraine?

Am 24. Februar dieses Jahres fiel die russische Armee in die Ukraine ein. Die Nachrichtenkanäle zeigen Bilder von endlosen Panzerkolonnen, Kampfhubschraubern und Kampflugzeugen, die sich wie eine dunkle Masse über das Land ergießen. Die Nachrichtenkanäle zeigen Bilder von endlosen zerschossenen Panzerkolonnen. Die Nachrichtenkanäle zeigen Bilder zerschossener Wohngebiete und Stadtzentren. Die Nachrichtenkanäle zeigen Bilder willkürlich erschossener ja hingerichteter Zivilisten.

Die Bilder aus Mariupol und Charkow zeigen, dass die russische Armee eine Taktik der verbrannten Erde verfolgt. Wohngebiete und wichtige zivile Infrastruktur werden regelmäßig und systematisch angegriffen mit Mehrfachraketenwerfern, Kampfbomber und Raketen. Das Land wird um Jahrzehnte zurückgeworfen. So verhält sich kein Angreifer, der das Gebiet nachfolgend selbst nutzen will. 

Es „erinnert“ an Strafaktionen von Kolonialmächten gegenüber kolonisierten Völkern. 
Es „erinnert“ an die Bandenkriege Chicagos der 30er oder Russlands der 90er Jahre.
Es „erinnert“ an die faschistoide Herrenmenschmentalität des 3. Reiches.
Es geht nicht um die Demonstration von Gewaltfähigkeit, sondern um Vernichtung.

Welche Position nimmt Deutschland ein?

Deutschland hat ein besonderes Verhältnis zu seiner Geschichte und ein besonders Verhältnis zu Russland. Man könnte auch sagen, dass Deutschland durch seine eigene Geschichte befangen ist. Vielleicht ist Deutschland auch einfach nur feige und opportunistisch. 

Wir sind enttäuscht vom Zaudern der offiziellen deutschen Politik.
Wir sind enttäuscht von Suchen der offiziellen deutschen Politik nach Optionen.
Wir sind enttäuscht von Sanktionen, wo Abbruch jeglicher Kooperation angezeigt ist.

Es geht nicht darum, ob diese oder jede Sanktion einen direkten oder indirekten Einfluss auf den Verlauf dieses Krieges hat oder nicht. Es geht nicht darum, auszurechnen, welche genauen Folgen ein Abbruch der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation für uns selbst haben würde. Es geht nicht darum, ob wir uns das leisten können oder ob wir alle noch Autofahren können, oder in Urlaubsreisen oder Kinobesuche finanziell erschwinglich bleiben. Unser Wertesystem wird angegriffen. Und wenn unser Wertesystem angegriffen wird, geht es in erster Linie erstmal darum, die eigene Position zu halten und stehen zu bleiben, wenn der Bär mit voller Geschwindigkeit auf uns zu rennt. Hold your ground! Wir werden dem Bären nicht entkommen können.

Die heutige Elite der Russischen Föderation hat nicht nur der Ukraine sondern uns und unserem Wertesystem den Krieg erklärt. Wir können sie nur aktiv wirtschaftlich bekämpfen oder ihre Herrenmenschenmentalität indirekt anerkennen. Einen dritten Weg gibt es nicht. Dieser Krieg wird so lange dauern, wie das System Putin und sein Trupp überdauern wird.

Wie verändert sich unser Wertesystem?

Die Änderung unseres Wertesystems kann man zusammenfassen als Back to the roots.

Back to the roots – kann man vielfältig übersetzen. In unserem Fall kann man es auch verstehen, als Abkehr von der Naivität und Blauäugigkeit und Rückkehr zur Realität. Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs glaubten wir uns am Ende der Geschichte. Wir waren angekommen in einer Art vollkommener Zufriedenheit. Wir glaubten uns sicher und unangreifbar, solange wir zu unserem Wertesystem stehen würden.

Wir sollten unser Wertesystem weniger nach außen tragen, aber wehrhaft machen. 

Was können wir tun?

Es löst in uns allen Unbehagen aus, dass wir eng mit einem Land zusammenarbeiten, dass Angriffskriege führt und nicht nur die Rechte anderer mit Füßen tritt, sondern ihr bloße Existenz in Abrede stellt.

Wir können uns vom System der Russischen Föderation in seiner heutigen Form ganz klar distanzieren, indem wir die wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Russischen Föderation in den für die Russische Föderation wichtigen Sektoren so lange einstellen wie das System Putin in der Russischen Föderation an der Macht ist.

Was kannst du tun?

Man kann Petitionen beim Bundestag einreichen. Die Petition 131403 trägt den Titel: „Anerkennung des Genozids am ukrainischen Volk“ und ist mit folgendem Text unterlegt: „Mit der Petition wird gefordert, dass der Deutsche Bundestag die aktuellen Ereignisse in der Ukraine als Genozid anerkennt, der von der Russischen Föderation gegen das ukrainische Volk ausgeübt wird und ihre Regierung verpflichtet, unverzüglich alle notwendigen Maßnahmen für seine sofortige Beendigung zu ergreifen.“

Um diese Petition unterschreiben zu können, muss man sich unter https://epetitionen.bundestag.de/ registrieren. Unabhängig von der Anzahl der Unterschriften wird jede Petition im Petitionsausschuss erörtert. Ab 50.000 Unterschriften erhält der/ die Einreichende das Recht vor dem Petitionsausschuss zu erscheinen. Die Petition wurde am 02.03.22 erstellt. Bis heute haben 13964 Menschen diese Petition unterschrieben. Wenig, oder?


Petition 131403
Anerkennung des Genozids am ukrainischen Volk vom 02.03.2022

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