Licht am Ende des Tunnels

Das Licht am Ende des Tunnels

Das Licht am Ende des Tunnels ist eine Vorstellung aus dem Sozialismus, die besagt, dass es irgendwo weiter vorn besser werden müsse, als an dem Punkt, an dem man sich gerade befindet. Zweifellos eine idealisierte Vorstellung, aber auch eine Vorstellung, die Sinn gibt. Das Licht am Ende des Tunnels ist das Wertvollste, was es überhaupt gibt.


In einigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion sehen wir derzeit massive Proteste gegen die etablierten Machtstrukturen.

Am Start

Im August / September des Jahres 1990 arbeitete ich auf der Ausstellung Ugol’90 als Dolmetscher für einen bekannten deutschen Bergbaumaschinenhersteller. Die Lebensmittelgeschäfte waren leer. Für 50 DM konnte man ein Bankett für 20 Personen in einem zentralen Donezker Hotel ausrichten. Meine (damals noch zukünftigen) Landsleute waren erstaunt, über das ihrer Meinung nach ärmliche Leben der Bevölkerung, was zweifellos nur eine oberflächige Wahrnehmung sein konnte. Alles war vorhanden: Ressourcen, gute ausgebildete Arbeitskräfte, Erfahrungen und Einfallsreichtum. All das war das Licht am Ende des Tunnels, dass meine (damals noch zukünftigen) Landsleute nicht sehen konnten. Sie kannten diese Vorstellung nicht.


Wenn man die Verbote, Regulierungen und Beschränkungen aufheben und die Menschen von der Kette lassen würde, konnte alles Mögliche entstehen. Am Start im Rennen um die Aufteilung der Ressourcen standen damals drei Gruppen, die sich teilweise überschnitten und vermischten:

  1. Direktoren, Partei- und Komsomolfunktionäre
  2. Private Unternehmer und kriminelle Gruppierungen
  3. Vertreter der Machtorgane (Geheimdienst und Polizei)

Es gab noch eine vierte Gruppe, die ich hier mal mit „Studenten“ bezeichne. Das waren gut ausgebildete und findige Menschen, die genauso jung waren wie wir, jedoch fähiger und risikofreudiger. All diese Gruppen standen an der Startlinie im Rennen um das Abstecken von Claims wie man das aus Filmen über den Amerikanischen Wilden Westen kennt.

Am Ziel

Dreißig Jahr nach Start und praktische eine Generation weiter muss man feststellen, dass die dritte Gruppe die Oberhand gewonnen hat. Das ist fatal. Diese Gruppe ist am wenigsten geeignet, Wirtschaft und Gesellschaft zu entwickeln, da sie ihrem Wesen nichts erschaffen, sondern nur vorhandenes kontrollieren kann. Das führte zu vielen Einschränkungen, zur Rücknahme von Reformen der 90ziger Jahre und in der Folge zum realen Abfließen von menschlichen Ressourcen und Kapital, welches jetzt in London, Berlin, Zürich oder auch San Francisco eine neue Bleibe gefunden hat. Das führte dazu, dass jeder Regionalfürst nach Beispiel der über ihm stehen Machtstrukturen sein eigenes Zarenreich aufbaute und aufbaut – einschließlich Palast und Jacht und Ferienhaus in Florida oder an der Côte d’Azur.


Beim allem Gerede ist es dem Westen im Kern nach scheißegal, was mit Russland passiert. Für den Westen ist Russland in erster Linie als Rohstofflieferant und Absatzmarkt für seine Industrieprodukte wichtig. Russland und viele andere Nachfolgestaaten der Sowjetunion haben sich in quasi – Feudalstaaten mit einem Lehnsherren an der Spitze und Vasallen darunter entwickelt.


Schade ist es um die Menschen und Schade ist es um das Licht am Ende des Tunnels. Es bleibt die Hoffnung auf einen Erfolg oder Teilerfolg der Menschen in Minsk und in Chabarowsk, weil das Licht am Ende des Tunnels ist das Wertvollste, was es überhaupt gibt.

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