Berlin, East Side Gallery

Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben

Russland ist berühmt für den Export seiner Frauen und seiner Maschinenpistole Kalaschnikow“ – heißt es in einem russischen Sprichwort. Wir alle wissen, dass Russland weit mehr exportiert. Und dennoch beschreibt, dieser russische Spruch den Kern der Anziehungskraft dieses Landes!


Für manche sind es die Freundschaftszüge vergangener Tage. Für manche sind es die fremden Kirchen mit diesen Kuppeln. Für manche sind es die schönsten Frauen oder die höchsten Berge oder die breitesten Flüsse oder die größten Entfernungen, die sie je gesehen haben. Russland zieht an und Russland nimmt für sich ein! Und Russland scheint einen Bonus zu haben, wie das eigene Kind.


Westliche Reaktionen auf die Vergiftung von A. Navalny

Eigentlich sind alle Reaktionen erstaunlich, nicht nur die besonders erstaunlichen von Links oder Rechts oder auch aus der Wirtschaft.

Einerseits und es mag böse klingen, was geht es uns an? Was geht es uns an, wenn in einem Land eine Person oder Organisation oder sogar staatliche Organisation auf eine Privatperson oder Person des öffentlichen Rechtes oder auf einen Politiker einen Anschlag verübt?

Anderseits und es mag naiv klingen, es geht uns schon etwas an, weil wir wollen ja zu den Guten gehören und würden wir denn zu den Guten gehören, wenn wir uns nicht für das Gute einsetzen würden? Und darauf hinweisen würden und eine Pressmitteilung herausgeben und nochmal eine Talkshow veranstalten würden? Damit hat es i.d.R. aber auch erledigt. Ende aller Wege. Nicht so hin diesem Fall.

Russische Reaktionen auf die Vergiftung von A. Navalny

Die offiziellen russischen Reaktionen lasse ich einfach mal weg. Sie sind allgemein bekannt. Und liegen irgendwo zwischen beinharter russischer Logik und latent vorhandenem russischen Zynismus.

Erstaunlich sind die Reaktionen einiger Journalisten nichtstaatlicher Kanäle. Wenn man russische Journalisten nichtstaatlicher Kanäle hören oder sehen will, landet man bei einem der folgenden :

  • Radiosender Echo Moscow (Moskau, Eigentümer Gazprom und Privatpersonen, finanziert aus Werbeeinnahmen)
  • Fernsehsender Current Time (Prag, Eigentümer RFE/RL unter Beteiligung von Voice of America, finanziert aus US Mitteln)
  • Fernsehsender Dozhd (Moskau, Eigentümer Privatperson, finanziert aus Abogebühren und Spenden)
  • Radio-/ Fernsehsender Voice of America (finanziert aus US Mitteln)
  • Radiosender Radio free Europe/ Radion Liberty – RFE/RL (finanziert aus US Mitteln)
  • Fernsehsender OstWest (Berlin, RTV Broadcast & Content Management GmbH, finanziert aus Abogebühren)
  • Anti-Corruption Foundation (Moskau, Alexey Navalny, finanziert aus Spenden und von Privatpersonen u.a. vom Fam. Zimin den Gründern von Vimpelcom/ Beeline)
  • Medienprojekt Openmedia (Khodorkovsky).

An dieser Stelle seien nur drei Reaktionen von Redakteuren des Radiosender Echo Moscow hervorgehoben, die sich zweifellos an das russische Publikum richten und hier nur sinngemäß wiedergegeben werden.

Bisher waren die Dienste mit sich selbst beschäftigt. Mit dem Anschlag auf A. Navalny überschreiten sie eine Grenze.

Alexander Nevsorv, Autor der Sendung „Nevsorovskye sredy“

Der Anschlag auf A. Navalny ist genau so ein einschneidendes Datum, wie seinerzeit der Inhaftierung von M. Khodorkowsky oder der Mord an B. Nemzov.

Julia Latynina, Autorin der Sendung „Code dustupa“

Berezovsky (ein russ. Oligarch, d.R.) sagte einmal: „Man muss nicht Eigentümer einer Firma sein, oder ein großes Aktienpaket an einer Firma besitzen, um sie steuern zu können. Man muss nur das Management dieser Firma kontrollieren.“ Genauso handelt der Kreml und stellte u.a. auch deutsche Expolitiker in seine Staatsfirmen ein. Ich glaube nicht, dass das Geld von Putin oder Setschin ausreicht, um Kanzlerin Angela Merkel einzustellen. Dennoch ist erstaunlich, dass westliche Demokratien wohl bereit sind Sanktionen zu verhängen, um ihre Interessen oder Überzeugungen durchzusetzen, gleichzeitig jedoch nicht bereit sind, einen Preis für diese verhängten Sanktionen zu bezahlen.

Sergey Parkhomenkov, Autor der Sendung „Sut sobyti“

Warum ist der Anschlag auf A. Navalny besonders?

Der Anschlag auf A. Navalny reiht sich ein in eine Kette illegitimer Handlungen, die von russischem Gebiet ausgehen und sowohl auf russischem Gebiet als auch darüber hinausgehend ausgeführt werden. Dazu zählen Anschläge auf und Morde an Journalisten, Politikern und ehemaligen Geheimdienstmitarbeitern. Dazu zählen Initiierung militärischer Konflikte in angrenzenden Staaten und Vereinnahmung von fremdem Staatsgebiet, sei es durch Angliederung an das eigene Land oder durch Ausgrenzung der Gebiete aus deren Ursprungsländern. Man kann nicht umhin, diese Handlungen als offen kriminell zu bezeichnen.


Westeuropa hat bisher auf diese aggressive Politik Russlands keine Antwort gefunden. Es geht nicht nur um Nordstream 2 oder Nordstream 1 oder sonst irgendeine Pipeline. Es geht darum, ein Zeichen zu setzen, eine Linie zu ziehen, die nicht übertreten werden darf. Es geht darum, sich aus der freundschaftlichen oder nichtfreundschaftlichen Umklammerung zu lösen und zu sich selbst zu finden. Nur ein eigenes Profil wird wirklich wahrgenommen und kann respektiert werden. Notfalls werden wir einen Preis dafür bezahlen müssen.

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