banner

Weihnachten ’89

Das Jahr 1989 ist wieder aus der medialen Berichterstattung verschwunden. Es wird wohl wiederkommen. Spätestens zu 30 Jahren Währungsunion und zu 30 Jahren Wiedervereinigung werden wir wieder daran erinnert werden. Beim heutigen Weihnachten denke ich manchmal daran, wie es eigentlich gewesen ist, das Weihnachten 1989.

Zu Weihnachten 1989 war jeder DDR – Bürger mindestens ein Mal im Westen gewesen. Die Offenheit der Westgrenze war zur Normalität geworden. Die Menschen hatten einen wesentlichen Teil der Neuorientierung hinter sich gebracht. Änderung folgt auf Änderung. Es gab runde Tische, Diskussionen, den Versuch einer Stabilisierung und erste Bestrebungen in Richtung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten. Die Wiedervereinigung als solche stand noch nicht auf der Tagesordnung.

All das drückte sich auch im Umtauschkurs DDR-Mark zu DM, ganz offiziell von Mark der Deutschen Notenbank (MDN) in Deutsche Mark der Deutschen Notenbank (DM), aus. Wenn er vor Maueröffnung bei ca. 10:1 lag, schnellte er mit Maueröffnung kurzzeitig auf 20:1 hoch und fiel im Dezember 1989 auf ca. 6 bis 7 :1. Man konnte es als erstes Zusammenwachsen oder besser Annähern verschiedener bis dahin getrennter Märkten verstehen.

Höchste Zeit

Auszug

Mit der Öffnung der Grenzen ändert sich für DDR Bürger die Zugänglichkeit zu Waren. Die DDR Waren bekamen unerwartete erste reale Konkurrenz von ihren westlichen Nachbarn. Gleiches traf auch auf mich selbst zu. In den beiden Jahren nach meinem Studium war ich in Summe acht Mal in der Sowjetunion gewesen. Urlaub und Überstunden, kurz jede freie Minute verbrachte ich dort. Das war teuer! Ein Flugticket kostete damals ca. 300 MDN, d.h. ca. ein Drittel eines Monatslohnes. Ich nutzte die verschiedenen Warenangebote zwischen DDR und Sowjetunion zum privaten Ex-/ Import und zur Verbilligung meiner Reisen. In Richtung Sowjetunion war es etwas schwierig; eine Pentagon Six konnte ich zwar nicht – wie geplant zum doppelten – aber immerhin zum anderthalbfachen Preis verkaufen. In Richtung DDR war es einfacher. Mit der Perestroika wurde das Warenangebot dort besser und in Teilbereichen für OST – Verhältnisse geradezu phantastisch. Man konnte auf einmal Westschallplatten kaufen, zwar im beschissenen Cover aber ansonsten original. Die Fa. Melodie versuchte offensichtlich die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte in kurzer Zeit aufzuarbeiten. Neue Platten gab es jeden Monat. Ich kaufte sie für drei Rubel und verkaufte sie unter meinem Kollegen für 20 MDN. Das war das Doppelte und trotzdem ein fairer Preis, wenn man bedenkt, dass eine Schallplatte in der DDR 16,10 MDM kostete. Meine Kollegen waren mir, trotz der offengelegten Gewinnspanne, dankbar. So konnte ich meine Flugkosten auf ca. 30% verbilligen.

Zu Weihnachten ’89 hatte ich noch Schallplatten und einen Elektroheizer in meinem Bestand. Eigentlich als Reserve für Engpässe gedacht, wurde es höchste Zeit, dieses Zeugs loszuschlagen. Und so standen wir auf dem Weihnachtsmarkt an der Ecke Innere Klosterstraße / Am Markt und schichteten unsere Ware auf einer Fensterbank des Rathausgebäudes auf. Die zwanzig Schallplatte wurde ich nicht komplett los, habe aber heute keine mehr – irgendjemand muss sie später genommen haben. Dafür konnte ich einen Elektroheizer für sage und schreibe 490 MDM verkaufen, also zum 2,66 Fachen. Das war geil und dennoch auch für den Käufer ein realer Kauf. Er rechnete anders. Er teilte die 490 MDM durch sieben und kam auf 70 DM und war damit geringfügig preiswerter als ein vergleichbares Westprodukt. Aber, es war höchste Zeit. Blöde Erinnerung, oder?

Quellen

http://www.bpb.de/geschichte/deutsche-einheit/deutsche-teilung-deutsche-einheit/43757/die-deutsche-einigung?p=all

https://www.deutschlandfunkkultur.de/wir-sind-ein-volk.1001.de.html?dram:article_id=155887

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert